Es
war ein sonniger, angenehm warmer Tag, als meine Mutter und ich zum Strand
kamen.
Ich
lief hin mit weit ausgebreiteten Armen, als würde ich alles umarmen und bejahen
– sowohl die Welt als auch das Leben.
Vor
uns das offene Meer.
Ich
wollte ins Meer, doch meine Mutter sagte, die Wellen seien noch groß und
ich noch klein. Warte ab, sagte sie, sei geduldig, und du wirst schwimmen und
tauchen.
Der
Strand war groß, scheinbar endlos. Es schien, als würde er sich mit dem
Himmel vereinen.
Ich
freute mich auf diesen Tag.
Die
Mutter fand einen passenden Platz ohne Müll, ohne Insekten und ohne
Glasscherben, breitete ein riesiges blau-rotes Strandtuch aus, das vom vielen
Waschen und ausgebleicht und rau geworden war, und ich wusste sofort: Das ist
unser
Platz.
„Hier
der Sandeimer“, sagte sie. „Komm, wir gehen zusammen, ich zeig’s dir. So macht man
goldene Berge“.
Sie
cremte mich mit irgendeiner Sonnencreme ein, küsste mich auf die Wange und
wünschte mir viel Spaß beim Spielen.
Ich
bin ein Kind und der Sand lockt, das Spiel ruft. Es ist fast ein Bedürfnis.
Ich
umarmte meine Mutter – meine Mutter versorgt mich, beschützt mich, cremt mich
ein, zeigt mir, wie man Sandberge macht, macht Stullen für mich, reicht mir Eimer
und Schaufel. Meine Mutter ist gut und schön.
Der
ganze Strand gehörte uns allein – niemand sonst war da. Ich entfernte
mich vom Platz, froh/amüsiert darüber, dass meine Füße im Sand versanken
und Abdrücke hinterließen. Ich begann herumzuspielen, während meine Mutter ein
Buch las und gelegentlich Ausschau nach mir hielt.
Anfangs
langsam und ungelenk, machte ich nur meinen ersten Sandberg?
Schau
mal, Mama, dieser Berg ist für dich!
Der
Berg hatte eine Delle, stand schief, aber meine Mutter freute sich aufrichtig,
klatschte in die Hände und umarmte mich mit einem warmen Lächeln.
Es
war nicht einfach. Ich lernte erst, wie man mit Schaufel und Eimer, Wasser, Muscheln
und Steinchen hantiert. Aber ich war begeistert von diesem Berg.
Aber
nicht allzu lange.
Ich
hätte ihn größer und besser und schöner machen können. Sand gab es unbegrenzt, ebenso
wie Wasser.
Bei
jedem Gang zum Wasser schaute ich auf das Meer. Es machte mir Angst, aber ich
ich empfand auch Bewunderung. Ich fragte mich, was es wohl alles an ihm und in
ihm gab, welche Sandstrände sich am anderen Ufer versteckten – hinter jener
Linie, wo sich das Meer mit dem Himmel vereint.
Nach
dem Berg kam das Schloss, nach dem Schloss kam der Tunnel, und meine Stadt
wurde immer größer. Immer geschickter zog ich meine Hände durch den Sand,
gestaltete und formte, schuf neue Formen und Verzierungen.
Die
Mutter rief nach mir – ich solle die Sonne meiden, mich ein bisschen ausruhen.
„Ich
bin noch nicht fertig“, rief ich zurück, vom meinen Bauvorhaben hingerissen.
Sie war mir einfach nur lästig.
Wahrscheinlich
war viel Zeit vergangen, aber ich spürte dies kaum.
Ich
grub ein sehr tiefes Loch, um einen Haufen Sand herauszugraben, mit dem ich
meine Stadt fertigbauen konnte.
Die
Mutter kam und verdeckte mir die Sonne, in diesem Augenblick hasste ich sie,
weil sie mich in meinem Rausch störte. Mir schien, als würde ich sie mit
anderen Augen sehen, ohne Sonnenlicht wirkte sie irgendwie hässlicher, denn sie
stand vor der Sonne, um mich zu beschützen.
Du
hast zu tief gegraben, mein Sohn, es ist nicht sicher, sagte sie sanft. Setz
den Hut auf.
Ich
muss in die Tiefe gehen, ich brauche den Sand. Ich muss in die Tiefe gehen,
damit meine Stadt immmer höher und höher wird. Ich muss ins Loch steigen,
mit meiner ganzen Kraft in die Tiefe gehen, damit man meine Fahnen sieht, wenn
sie im Wind flattern.
Sie
bot mir Wasser und Pfirsiche an, und ich wollte nur, dass sie weggeht, mich
fertigbauen lässt.
Was
sie dann auch machte.
Pass
auf dich auf, sagte sie.
Ich
grub wie besessen. Der Sand setzte sich unter meinen Fingernägeln fest, er war
überall, in meinen Haaren, in meiner ganzen Haut, in meinen Ohren, in meinen Nasenlöchern,
in meiner Seele. Die Stadt musste errichtet werden und
herrlich sein. Das war ein Bedürfnis, ein Rausch.
Und
ich kam hoch, tatsächlich, ich errichtete eine Schicht meines Schlosses nach
der anderen, eine Straße meiner Stadt nach der anderen. Da gab es Wälle,
Häuser, Fenster, das Bett des Flusses, der fließen wird, wenn ich ihn später
mit dem Meer verbinde.
Als
Wolken aufzogen, nahm ich dies überhaupt nicht wahr.
Ich
kam erst dann zu mir, als der Sand mir in die Augen reinfiel.
Dann
kam der Wind! Gewaltig, tosend. Urplötzlich.
Ich
drehte mich um und konnte meine Mutter hinter dem sich auftürmenden Sandhaufen nicht
mehr sehen.
„Mutter!“
rief ich.
Während
ich den Mund öffnete, um nach ihr zu rufen, bemerkte ich, dass er voller Sand
war, und ich daran zu ersticken drohte.
Auch
sie rief nach mir – verängstigt, in Panik – so, wie eine Mutter nach ihrem Kind
ruft, wenn es in Gefahr ist, aber ich konnte sie kaum hören. Der Wind war so stark,
dass er mich taub machte, ein mächtiger Sandsturm kam auf, er warf Bäume um,
das Meer rauschte. Ich wollte nur meine Mutter umarmen.
Einen
kurzen Augenblick lang sah ich sie, als Umriss, wie sie sich mit den Fingern
tief im Sand, den Weg zu mir bahnt und meinen Namen ruft. Um mich zu schützen,
mich vom Sturm zu behüten. Um mir zu sagen, alles sei gut, und – wenn es vorbei
ist – mir die Stulle zu geben.
Der
Sturm ließ nach. Ich wischte mir den Sand aus den Augen und lief zur Stelle, an
der ich meine Mutter wähnte.
Dort
war sie aber nicht mehr.
Jetzt
grub ich mit den Fingern in den Sandhaufen, um sie zu finden, um sie zu retten.
Aber
ich konnte nicht wissen, wo sie ist.
Der
Strand war groß, scheinbar endlos. Es schien, als würde er sich mit dem
Himmel vereinen.
Ich
grub den Rucksack mit der Creme, den Pfirsichen, den Stullen und dem Wasser
aus.
Die
Hälfte meiner Stadt war eingestürzt.
Vielleicht
sah die Stadt ziemlich unschön aus, aber das kümmerte mich nicht.
Der
erste Berg – schief und mit der Delle – der Berg, auf den alles andere folgte und
ohne den alles andere nicht da wäre, blieb weiterhin standhaft.
Und
dieser schien mir am schönsten zu sein.
Ich
breitete meine Arme aus – zum Meer und zum Himmel.
(Marko Radaković
Übersetzung aus dem Serbischen: Maja Matić und Katja Đekić
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